Was, wenn Babys mal müssen? Ein Ratgeber zu Windeln, Wickeln und Abhalten
- Inga Hebamme
- 11. März
- 6 Min. Lesezeit

Es ist das natürlichste Bedürfnis der Welt und trotzdem stellt es junge Eltern immer wieder vor eine Herausforderung: Was tun, wenn der kleine Schatz mal muss? Als Wochenbett-Hebamme, aber auch Familienberaterin in der Kleinkinderzeit begegnet mir diese Frage immer wieder. In meinem Ratgeber fasse ich zusammen, was es bei Neugeborenen für Möglichkeiten gibt, wie Reflexe wirken und sich fördern lassen und warum Windeln nicht nur positive Seiten haben.
In der Hebammenarbeit bespreche ich mit meinen Familien immer wieder das Thema Windeln, verschiedene Windelarten, Wickeltechniken und alternative Möglichkeiten für Neugeborene – etwa das Abhalten. Selbst wenn Windeln bei uns allgegenwärtig scheinen, so sind sie längstens nicht die einzige Möglichkeit, um die Hinterlassenschaft von Neugeborenen und Babys aufzufangen. Wussten Sie beispielsweise, dass weltweit rund 70-80 % der Babys gänzlich ohne (Wegwerf-)Windeln aufwachsen?
Windeln: Für Eltern top, für Babys flop!?
Für viele ist es eine Überraschung: Aus Sicht eines Neugeborenen sind Windelngar nicht mal so toll. Babys müssen nach der Geburt erst lernen, „in die Windel zu machen“, denn für sie ist es unnatürlich, ihre Ausscheidung in ein geschlossenes System – wie die Windel – loszulassen. Es widerspricht also ihren frühkindlichen Reflexen. Viel mehr versuchen sie von Geburt an mit Lauten, Mimik und Bewegungen mit ihren Eltern zu kommunizieren und ihnen ihr „Unwohlsein“ anzuzeigen. Aus Sicht des Neugeborenen wäre jetzt der richtige Zeitpunkt es abzuhalten und ihm so die Möglichkeit für eine Ausscheidung in die Natur, das Waschbecken oder in ein Töpfchen zu geben. Es ist jedoch für Eltern meist gar nicht so einfach, die Babysprache ihrer Kinder zu lesen. Dazu kommt, dass Ausscheidungen von Babys im ersten Lebensmonat unregelmässig und oft stattfinden. Wie kann also das Abhalten als Alternative zur Windel gelingen?
Hier ist es hilfreich zu wissen, dass der sogenannte „gastrokolische Reflex“ die Darmtätigkeit von Neugeboren anregt. Der gastrokolische Reflex beschreibt den Zusammenhang von der Füllung des Magens mit Nahrung – etwa Muttermilch - mit dem Einsetzen der Darmtätigkeit. Das erscheint logisch: Dach dem Essen, beginnt der Darm zu arbeiten. Auch bei uns. Eltern können dieses Wissen nutzen, um ihr Kind in Still- oder Schoppenpausen abzuhalten und so die Ausscheidung natürlich zu fördern. Nach dem ersten Lebensmonat stellt sich ein gewisser Rhythmus in der Nahrungsaufnahme, und damit auch in der Regelmässigkeit der Ausscheidung ein. Zudem lernen Eltern immer besser, ihr Kind und dessen Kommunikation zu lesen. Das Abhalten wird eine immer logischere Alternative zur Windel.
Bekommt ein Neugeborenes jedoch ab Geburt eine Windel angezogen, so führt dies in den ersten Wochen zu vermehrtem Unwohlsein und Bauchschmerzen beim Baby. Solange bis es gelernt hat, seine natürlichen Reflexe zu überwinden und es die Windel annimmt. Sobald dies der Fall ist, wird es nach und nach auch mit der entsprechenden Kommunikation an die Eltern aufhören und mühelos in die Windeln machen.
Verschiedene Windelarten
Weltweit gesehen wächst die deutliche Mehrheit der Babys ohne Windel auf. In der Schweiz hingegen tragen rund 95% der Babys mit Wegwerfwindeln. Dabei gibt es Alternativen. Und diese haben sowohl für die Umwelt als auch für die Neugeborenen selbst bedeutende Vorteile. Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Windelarten, sowie ihre Vor- und die Nachteile:
Einwegwindeln / Wegwerfwindeln
Bei uns weit verbreitet und in jedem Supermarkt erhältlich: Die klassische Einwegwindel. Eltern sehen sie als die praktische, einfache und logische Wahl wenn es um die Versorgung ihres Babys geht. Und die Werbung unterstreicht diesen Gedanken.
Wegwerfwindeln sind heute stark optimiert, sodass die Feuchtigkeit sofort gefangen und abgeleitet wird und die Haut stets trocken bleibt. Es sind farblich abgesetzte Anzeiger für Nässe integriert, sie sind saugstark, schnell zu wechseln und dazu ganz praktisch im Haushaltsmüll zu entsorgen. Doch gerade der Müll zeigt eine der Schattenseiten auf: Allein in der Schweiz werden täglich ca. 1 Million Einwegwindeln entsorgt. Das macht 10 % des gesamten Haushaltsabfallvolumens aus! Aneinandergereiht würden die Windeln eine Wegstrecke von 400 km abdecken: Das entspricht der Distanz von Zürich bis nach Mailand (vgl. SRF, 2024). Pro Kind landet damit etwa 1 Tonne Windelmüll im Abfall.
Auch die Zusammensetzung der Wegwerfwindeln ist meist problematisch: Sie bestehen aus Plastik und Zellulose aus Bäumen – im besonders saugstarken Kern ist oftmals Erdöl enthalten. Pro Wickelperiode müssen durchschnittlich rund 6 Bäume ihr Leben lassen.
Und schliesslich haben Wegwerfwindeln auch für das Neugeborene selbst und seine natürlichen Reflexe bzw. für seine Entwicklung Nachteile: Bei unseren modernen Windeln findet nämlich kaum eine „Rücknässung“ statt. Die grosse Saugkraft hält die Haut des Babys trocken und selbst eine volle Windel fühlt sich für das Baby angenehm an. Durch das fehlende „Nässe-Feedback“ verspüren Kinder kein unangenehmes Gefühl, wenn die Windel nass ist: Folglich verlieren sie nach und nach jene Reflexe, die ihnen helfen zu erkennen, wann es Zeit wird auf die Toilette zu gehen. Und so gibt es heute Wegwerfwindeln in Grösse XL, welche für 4-jährige und ältere, vollkommen gesunde Kinder gebraucht werden. Für Eltern ist es wichtig, dass sie dies bei der Wahl der Windelart und der Wahl der Windelmarke bedenken.
Stoffwindeln
Eine gute Alternative zu Wegwerfwindel sind Stoffwindeln. Sie sind waschbar und mehrfach benutzbar. Stoffwindeln gibt es in verschiedenen Grössen und Ausführungen, meist sind sie aus natürlichen, unbedenklichen Materialien produziert. Damit sind sie nicht nur ökologischer, sondern auch hautverträglicher als herkömmliche Einwegwindeln.
Mullwindeln: Mullwindeln bestehen aus mehreren Lagen Baumwolltüchern (oder anderer Naturfasern), welche in einer speziellen Falttechnik angelegt werden. Die meisten Wochenbett-Hebammen kennen diese Technik bestens und vermitteln sie interessierten Eltern gerne weiter. Nach dem Anlegen der Mullwindeln zieht man dem Baby eine Überhose an. Diese ist meist aus Wolle oder einem wasserfesten Überzug hergestellt und lässt sich mit Druckknöpfen, Klett oder Gummizug verschliessen. Durch eine angepasste Falttechnik wachsen Mullwindeln mit dem Neugeborenen mit.
All-in-One Windeln: All-in-One Windeln bestehen aus einer Aussenschicht und einer integrierten Saugschicht. Somit sind alle Bestandteile der Windel in einem Stück vereint. Anders als bei Mullwindeln braucht man keine zusätzlichen Einlagen oder Überhosen. Dies macht All-in-One-Windeln im Handling einfacher. Sie benötigen dafür nach dem Waschen auch mehr Zeit zum Trocknen.
Höschenwindeln: Diese Windeln ähneln einer normalen Windel, aber sie sind aus weichem, dehnbaren Stoff gefertigt und man zieht sie über eine saugstarke Einlage aus Bambus, Baumwolle oder Hanfmaterial an. Für das Baby sind sie sehr bequem, da sie gut sitzen und keine Druckstellen verursachen. Höschenwindeln haben eine gute Saugkraft und sind besonders für die Nacht geeignet. Sie müssen mit einer wasserdichten Überhose getragen werden. Auch für grössere Babys oder in der Übergangszeit zum „trocken werden“ sind sie gut geeignet.
Stoffwindeln sind eine hervorragende Wahl für umweltbewusste Eltern, die langfristig Geld sparen wollen und den Komfort und die Gesundheit ihres Babys schätzen. Sie erfordern zwar etwas mehr Pflege und Aufwand als Einwegwindeln, bieten jedoch viele Vorteile, insbesondere in Bezug auf Umweltfreundlichkeit und Hautverträglichkeit. Der Rücknäss-Effekt von Stoffwindeln spielt darüber hinaus für die Entwicklung des Neugeborenen eine wichtige Rolle: Ist die Windel voll, löst dies ein ungutes Gefühl bei Babys aus und sie wollen gewickelt werden. Wenn das Kind im Alter von etwa 9-12 Monaten beginnt aufs Töpfchen zu gehen, so hilft ihm dieses Gefühl den richtien Zeitpunkt dafür zu erkennen.
Auch für die Eltern haben Stoffwindeln Vorteile: Sie sind zwar etwas teurer in der Anschaffung, doch sie sind waschbar und damit wiederverwendbar. Da die Verbrauchsmenge (ca. 20-30 Windeln pro Wickelperiode) viel geringer ist, sind Stoffwindeln langfristig gesehen deutlich günstiger als Einwegwindeln.
Trocken werden: So klappt's
Im Alter von 9-12 Monaten beginnen Babys aufs Töpfchen zu gehen und zwischen 2-4 Jahren sind sie Kleinkinder alt genug, sich langsam gänzlich von der Windel abzugewöhnen. Kinder möchten sich nicht selbst einnässen und bringen so eine natürliche Motivation mit, trocken zu werden. Trotzdem brauchen sie Unterstützung der Eltern, damit sie sich ohne Druck, ohne Stress an die windelfreie Zeit gewöhnen.
Eltern nehmen idealerweise die Signale wahr, wann der Nachwuchs mal muss. Es hilft, wenn stets eine kindgerechte Toilette- oder ein Töpfchen bereit steht, welches dem Kind ein Stück weit Selbstständigkeit mitgibt. Mit einem Buch neben der Toilette, Zeit und Geduld wird das Trocken werden bald klappen und die windelfreie Zeit bricht an.
Hebammenbegleitung: Von der Schwangerschaft bis zur windelfreien Zeit Als erfahrene Hebamme und dipl. Erziehungberaterin stehe ich jungen Familien in jeder Etappe der Schwangerschaft, im Wochenbett sowie in der Kleinkind-Zeit zur Seite. Dazu gehören auch alle Ihre Fragen rund ums Wickeln, um Windeln um Windelarten oder wenns ums Thema „trocken werden“ geht.
Ich setze auf eine individuelle Begleitung, nehme mir Zeit für Ihre Anliegen und verfolge einen ganzheitlichen Betreuungsansatz, der Sie und Ihre Bedürfnisse ins Zentrum stellt und sie dabei unterstützt, Ihren kleinen Schatz zu verstehen und optimal – wie es zu Ihrer Familie passt – zu betreuen. Suchen Sie eine Wochenbett-Hebamme in Chur, Domat Ems, Felsberg, Domleschg- Bonaduz oder Surselva, Ilanz, Schluein, Laax, Flims, Trin? Ich bin für Sie da – auch für spontane Einsätze oder über das Wochenbett hinaus als Stillberaterin oder Erziehungscoach. Mail: ing.si(at)hotmail.com Tel.: 079 486 64 06 (Whatsapp) Sie wohnen ausserhalb meines Einzugsgebiets? Hier finden Sie Ihre Hebamme in Graubünden. |
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